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Seddinsee
Beschreibung
Der Seddinsee ist ein langgestreckter See an der südöstlichen Stadtgrenze Berlins. Er erstreckt sich über eine Länge von 4 Kilometern, bei einer Breite von etwa 500 Metern, zwischen dem Ort Gosen und dem Köpenicker Ortsteil Schmöckwitz. Die Tiefe beträgt maximal 7 Meter, die Wasserfläche rund 370 Hektar.
Am Nordende mündet der Gosener Kanal in den See. Am südwestlichen Ende trifft der Seddinsee auf die Dahme, sodass der See auch als eine Seitenbucht dieses Flusses angesehen werden kann. Zusammen mit dem Langen See und dem Zeuthener See, die Erweiterungen der Dahme darstellen, sowie der Seitenbucht Große Krampe und dem etwas weiter südlich gelegenen Krossin-See gehört der Seddinsee zu der umfangreichen Seenlandschaft im südlichen Köpenick. Im Südosten des Sees mündet der Oder-Spree-Kanal ein.
Am Nordostufer des Sees liegt die Gemeinde Gosen und eine dazu gehörige Bungalowsiedlung, im Übrigen ist die Umgebung des Sees bewaldet.
Im Gebiet nahe der Mündung des Gosener Kanals befinden sich naturbelassene Moorgebiete mit Torfschichten von bis zu 7 Metern Mächtigkeit. Sie gehören zu dem o.g. Naturschutzgebiet Müggelspreeniederung, das sich in nordöstlicher Richtung bis zum Dämeritzsee erstreckt und den Gosener Graben umfasst. In dem Revier sind viele Wasservögel wie Haubentaucher, Blessrallen und Schwäne anzutreffen, auch Eisvögel und Seeadler nisten hier.
Andererseits existiert aber auch ein Sandstrand und ein Campingplatz. Dort fällt das Wasser recht flach ab und ist daher auch für das Baden mit Kindern geeignet. Der See wird aber auch von Seglern und Paddlern genutzt, die von den zahlreichen Wasserstraßenverbindungen profitieren, die vom See ausgehen.
Im See befinden sich mehrere Inseln. Vor der o.g. Bungalowsiedlung liegen die Inseln Nixenwall, Dommelwall und Berg, etwa auf halber Höhe des Sees die Inseln Seddinwall und Kleiner Seddinwall. Unmittelbar an der Mündung in die Dahme befinden sich Weidenwall und Werderchen.
Im Zusammenhang mit einer Insel im Seddinsee erzählt Theodor Fontane in seinen „Wanderungen in der Mark Brandenburg“ eine merkwürdige Geschichte. Sie trägt den Titel „Der Fischer vom Kaniswall“ und ist eingebettet in seinen Bericht über die Bootsfahrt auf der „Wendischen Spree“ – das war zu Fontanes Zeiten die Bezeichnung für die Dahme.
Robinsonade des Fischers vom Kaniswall
Der noch heute vorhandene Kaniswall zwischen Neu-Zittau und Gosen geht nach Fontane auf einen Fischer namens Kanis zurück. Dieser hatte Ende des 18. Jahrhunderts den Wall in der ansonsten sumpfigen Gegend errichtet, um sich darauf ansiedeln zu können. Er betrieb eine Fähre über jenen Arm der Spree, der damals direkt dem Seddinsee zufloss (Fontane bezeichnet ihn als „Rahnsdorfer Spreearm“). Bei der zwischen der Spree und dem Seddinsee heute noch vorhandenen „Alten Spree“ und dem „Großen Strom“ handelt es sich um Überbleibsel des damaligen Flussverlaufs.
Der Fischer hatte eine sehr hübsche junge Frau, die er eifersüchtig hütete. Sie stammte aus Schmöckwitz. Nach der für Preußen verlorenen Schlacht von Jena-Auerstedt zog Napoleon am 27. Oktober 1806 als Sieger in Berlin ein – und mit ihm seine Soldaten.
Als ruchbar wurde, dass die ersten französischen Kürassiere in Köpenick eingerückt waren und auch in umliegenden Dörfern Quartier nehmen würden, überredete Kanis seine Frau, sich mit ihm und den gemeinsamen Kindern auf eine Insel im Seddinsee zurückzuziehen. Dorthin übersiedelte der Fischer mit seiner Familie, richtete sich dort häuslich ein und kehrte am Ende auch nicht mehr zum Kaniswall zurück. Er verstarb 1850.
Nachfolgend einige Auszüge dieser Geschichte, wie sie Fontane schildert:
«Fischer Kanis hielt eine Fähre, da, wo der Rahnsdorfer Spreearm in den Seddin-See eintritt. Das Häuschen, das er bewohnte, war des sumpfigen Untergrundes halber von ihm selber auf einem eigens hergerichteten Damm oder Wall aufgeführt worden, und weil alles damals noch ohne feste Bezeichnung war, erhielt diese Wallstrecke, wo sein Häuschen stand, den Namen Kaniswall. Die Kolonisten von Gosen und NeuZittau, seine nächsten Nachbarn, vergaßen über diesen Ortsnamen sehr bald den Namen dessen, der Wall und Häuschen erst geschaffen hatte, und nannten ihn, nach seiner Schöpfung, den Fischer vom Kaniswall. Diese Bezeichnung verblieb ihm auch sein lebelang, trotzdem er, bei jungen Jahren schon, die nach ihm benannte Heimstätte verließ. In der Geschichte jedoch, die Sie nun hören sollen, werd' ich ihn, der Kürze halber, einfach bei seinem Namen nennen.
Kanis hatte eine junge Frau, eine Kossätentochter aus Schmöckwitz, die sehr blond und sehr hübsch war, viel hübscher als man nach ihrem Geburtsort hätte schließen sollen. Er war, bei Beginn unserer Erzählung, drei Jahre mit ihr verheiratet und hatte zwei Kinder, Krausköpfe, die er über die Maßen liebte. Seine Hanne aber liebte er noch viel mehr. Hatte sie doch, allem Dreinreden unerachtet, aus bloßer Neigung zu ihm - er war ein stattlicher Spreewende - eine Art Mesalliance geschlossen.
So kam der Oktober 1806. Eh' der Unglücksmonat zu Ende war, waren die Schelmen-Franzosen in Berlin, und drei Tage später auch in Cöpenick. Hier sah sie nun unser Kanis. Es waren Kürassiere… Als er hörte, dass ein paar Schwadronen auch auf die umliegenden Dörfer gelegt werden sollten, überkam ihn ein eigentümlich schreckhaftes Gefühl, eine Eifersuchtsahnung, ein Etwas, das er bis dahin nicht gekannt hatte. Wer wollt' es ihm verargen? Er war gerade gescheit genug, um zu wissen, dass die Weiber, in ihrer ewigen Neugier, das fremde und Aparte lieben, und so sehr er seiner Hanne unter gewöhnlichen Verhältnissen traute, so wenig glaubte er ihrer sicher zu sein, wenn es sich um einen Wettstreit mit den (französischen) Kürassieren handelte, die alle sechs Fuß maßen und einen drei Fuß langen Roßschweif am Helme hatten…
Kanis sann also nach, wie er der Gefahr entgehen könne, überschlief es und sagte dann anderen Tages früh: „Hanne, komm'; ich mag die Kerls nicht sehen. Sie haben keinen Herrgott und stehlen Kinder. Hier an der Straße sind wir nicht sicher vor ihnen. Ich weiß aber einen guten Platz, wo sie uns nicht finden sollen. Ewig wird es ja nicht dauern.“ Daß er aus eifersüchtiger Furcht seinen Vorschlag machte, davon schwieg er. Er verfuhr wie immer die Ehemänner in ihrer Bedrängnis und tat alles „um der Kinder willen“. Hanne war eine gute Frau und zärtliche Mutter; zudem hielt ihre Erkenntnis gerade die Höhe von Schmöckwitz...
Im Spätsommer anno 1808 hieß es: „jetzt ziehen sie ab“. Kanis aber schüttelte den Kopf und sagte: „sie sind noch da; und wenn sie nicht mehr da sind, so kommen sie wieder; Hanne, wir wollen bleiben, wo wir sind“. Und darin war unser Robinson auf Robins-Eiland klüger als mancher Allerklügste. Denn sie kamen wirklich wieder.
Kanis freilich, als er so sprach, hatte nicht seine Klugheit, sondern nur seine Neigung befragt. Das Wahre von der Sache war: er wollte nicht mehr fort. Aus dem Schlupfwinkel, den er zwei Jahre früher als ein Flüchtling betreten und zunächst nur wie einen Lagerplatz eingerichtet hatte, war längst ein ansehnliches Gehöft mit Stube und Stall, mit Kammer und Keller geworden, das nicht mehr inmitten einer schilfüberwachsenen Insel, sondern im Zentrum eines von Garten- und Ackerstreifen durchzogenen und von einem Schilfgürtel nur eben noch eingefaßten Wiesenrondelles lag. Hier gruben und pflanzten Mann und Frau wie die ersten Menschen, und als endlich, nach zweimaliger Entscheidung, nach Leipzig und Waterloo, wirklich der große Frieden kam, und Kanis nun ehrenhalber sagen mußte: „Hanne, jetzt ist es Zeit“, da senkte diese den Kopf und erklärte, daß sie bleiben wolle. Das war es, was er zu hören gewünscht hatte. Nun gestand er ihr auch, daß er nicht aus allgemeiner Franzosenfurcht, sondern aus ganz besonderer eifersüchtiger Sorge vor den … (französischen) Kürassieren auf die Insel gezogen sei. Hanne machte kein Aufhebens von diesem Geständnis. Sie nahm nur das Schmeichelhafte heraus und entschlug sich aller tugendlichen Empfindsamkeit.»
(Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Vierter Teil
Spreeland Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
J. G. Cotta´sche Buchhandlung Nachfolger, Stuttgart und Berlin 1905)
Soweit Fontane. Er nennt die Insel „Robins-Eiland“. Um welche es sich wirklich handelte, geht aus dem Text nicht hervor. Von der Größe her kommt aber am ehesten der Seddinwall in Betracht.